Blog01.02.2023
Für Scheitern gibt’s lebenslänglich
Hinfallen, Aufstehen, Weitergehen. Die Management-Literatur ist vollen Lobes für die US-amerikanische Kultur des Scheiterns (z.B. hier). Scheitern gilt dort als notwendiges Beiprodukt der Risikofreudigkeit, die Innovation und unternehmerischen Erfolg hervorbringt. Bei uns hingegen gilt Scheitern als moralisch verwerflich. Man muss dafür büssen. Der kulturelle Umgang mit dem Scheitern führt dazu, dass in den USA Überschuldete rasch eine zweite Chance erhalten, während sie in der Schweiz oft bis ans Lebensende und darüber hinaus in den Schulden gefangen bleiben.
Fresh start für Überschuldete
In den USA ermöglicht man Überschuldeten einen «fresh start», eine sofortige Restschuldbefreiung unter «Chapter 7». Die zentrale Idee hinter diesen schnellen Entschuldung ist, dass Überschuldung ein «Marktversagen» darstellt und Überschuldete schnell wieder in den Markt integriert werden sollen. Dabei werden insbesondere kommerzielle Gläubiger in die Pflicht genommen, weil diese das Risiko der Zahlungsausfälle abschätzen und über die Preise weitergeben können (vgl. Heuer in Mattes S. 174).
Lebenslänglich in der Schweiz
Anders in der Schweiz: Hier ist man selbst nach einem Privatkonkurs lebenslang mit seinen Schulden konfrontiert. Die Verjährungsfrist von Verlustscheinen beträgt 20 Jahre und gilt lebenslänglich, wenn sie vom Gläubiger rechtzeitig unterbrochen wird. Für Totschlag und schwere Körperverletzung beträgt die Höchststrafe zehn Jahre. Wirtschaftsdelikte wie Veruntreuung und Betrug oder eine Erpressung werden mit maximal fünf Jahren bestraft. Selbst die lebenslängliche Freiheitsstrafe ist begrenzt. Eine verurteilte Person soll sich resozialisieren können.
Zweite Chance für Gescheiterte
Auch einer verschuldeten Person sollte dieses Recht zustehen, nämlich indem die Schulden nach einer gewissen Zeit verwirken und sie wirtschaftlich und sozial wieder am Leben teilhaben kann. «Die Möglichkeit der Entschuldung ist zunächst für den Schuldner und seine Familie ein Gebot der Menschenwürde,» schreibt Prof. Meier (hier). Überschuldete sind gescheitert. Mit ihrer Ehe, ihrer Selbstständigkeit, ihrem Finanzplan. Warum auch immer. Jede Person verdient, so Meier, in ihrem Leben eine zweite Chance, einen «fresh start». Mit der Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes (SchKG) sollen mehr Schweizerinnen und Schweizer diese bekommen.
Autor: Pascal Pfister
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