Blog12.08.2021

Krisen treiben Haushalte in die Schulden

Von wegen selberschuld: Schulden entstehen meistens durch besondere Lebens- situationen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung usw. Die Statistik der Mitgliederorganisationen von Schuldenberatung Schweiz zeigt: Sehr oft sind Verschuldung und Überschuldung mit strukturellen Faktoren verbunden. Die gemeinnützigen Fachstellen für Schuldenberatungen helfen Betroffenen. Aber es braucht auch Massnahmen auf politischer Ebene.

Die Mitgliederorganisationen von Schuldenberatung Schweiz erfassen alljährlich statistische Daten zu den verschuldeten Haushalten, die eine Erstberatung in Anspruch nehmen. Für das Jahr 2020 umfasst dieser Datensatz 4764 Dossiers und bietet damit eine wichtige Grundlage, um die Verschuldung und Überschuldung von Privatpersonen zu verstehen.

Kritische Ereignisse bringen Haushalte mit engem Budget aus dem Lot

Über 80 Prozent der Haushalte, die 2020 zum ersten Mal eine Schuldenberatung in Anspruch nahmen, verfügen über ein Haushaltseinkommen, das unter dem Medianlohn von 6’500 CHF liegt. 40 Prozent der Dossiers sind 2020 von Alleinstehenden, je etwa ein Fünftel von Paaren mit Kindern und Alleinerziehenden. Grund für die Verschuldung sind meistens kritische Lebensereignisse: Arbeitslosigkeit (24%), Trennung/Scheidung (24%) und gesundheitliche Probleme (23%) belegen 2020 die Spitzenpositionen (Mehrfachnennungen möglich).

Grösste Gläubiger sind Kantone und Krankenkassen

Steuerschulden (73%) und Krankenkassenschulden (61%) sind am verbreitesten und machen auch 41 Prozent des gesamten Schuldenvolumens aus. In etwas mehr als einem Viertel der Fälle existieren Schulden aufgrund selbst zu bezahlenden Gesundheitskosten. Die Daten zeigen zudem, dass viele überschuldete Haushalte sehr lange zuwarten, bis sie eine Schuldenberatung in Anspruch nehmen. Dadurch wachsen die Forderungen durch zusätzliche Kosten, Gebühren und Zinsen. Die Schuldner:innen geraten in eine eigentliche Verschuldungsspirale. Es lohnt sich für Verschuldete, die Unterstützung durch eine Fachstelle möglichst früh in Anspruch zu nehmen und damit aus der Schuldenspirale auszusteigen versuchen.

Teufelskreis durchbrechen: individuell und strukturell

Eine Sanierung ermöglicht überschuldeten Haushalten die ökonomische Wiedereingliederung – mit positiven Effekten auch für die Kantone und Kommunen, sowohl in ihrer Funktion als Gläubiger wie auch bezüglich der Sozialkosten. Eine gute Ressourcenausstattung der Schuldenberatungsstellen lohnt sich für das Gemeinwesen. Aber auch auf struktureller Ebene gibt es einigen Handlungsbedarf: In der Schweiz gibt es keinen Direkt-Abzug von Steuern und Krankenkassenprämien, kein Verfahren für Restschuldenbefreiung, eine schwache Überwachung bei Konsumkrediten und kaum Regulierung von Inkassofirmen.

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