Blog08.04.2025
Schuldenschnitt, Gewerbe und Zahlungsmoral

Die Bundespolitik behandelt derzeit ein neues Sanierungsverfahren für dauerhaft überschuldete Personen: Am Ende einer Pfändungsphase soll es einen Schuldenschnitt geben.
Verständlicherweise machen sich einige Parlamentsmitglieder Sorgen um die Gläubiger. Sie haben Angst vor den Folgen: Dass KMU auf ihren Rechnungen sitzen bleiben. Und davor, dass ein solches Verfahren die Zahlungsmoral verschlechtere.
Diese Sorgen muss man ernst nehmen. Es gilt aber, die Grössenverhältnisse zu berücksichtigen.
Nur wenige Schulden bei KMU
Erstens macht diese Schuldenkategorie einen kleinen Anteil an den Schuldensummen aus. Auf jeden Fall bei der Zielgruppe des neuen Verfahrens: den dauerhaft Verschuldeten.
Zweitens handelt es sich – auch ohne das neue Verfahren (!) – zu grossen Teilen um Schulden, die der Gläubiger meist nicht eintreiben kann. Auch wenn er betreibt, erhält der Gläubiger äusserst selten Geld. Die Verschuldeten, die zu diesem Sanierungsverfahren zugelassen werden, leben knapp am betreibungsrechtlichen Existenzminimum und der gepfändete Betrag des Lohnes ist klein.
Bei Auszahlung des gepfändeten Geldes werden zuerst die privilegierten Forderungen (v.a. Krankenkassenprämien) bedient, die sogenannten Drittklassgläubiger erhalten bei einer Pfändung in diesen Fällen nur selten etwas.
Nicht jede Person mit einem Zahlungsausstand ist überschuldet
Dauernd zahlungsunfähig ist, wer längerfristig seine offenen Rechnungen nicht mehr bezahlen kann. Die allermeisten Zahlungsausstände fallen nicht in diese Kategorie.
Gemäss der Zentralstelle für Kreditiformationen (ZEK) stehen Kredite von 9 Milliarden CHF aus. Die Mitglieder von Inkasso Suisse eröffnen jährlich Forderungen im Umfang von 1.27 Milliarden CHF. Die Studie zur Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) im Auftrag des Bundes rechnet mit Forderungen im Umfang von 2-38 Millionen, die in Folge des neuen Verfahrens definitiv abgeschrieben werden müssten. Es geht also um Promille.
Das macht Sinn: Die meisten Menschen können ihre Zahlungsrückstände und Kredite in einer überschaubaren Zeit zurückzahlen und sind nicht strukturell überschuldet. Sie erhalten keinen Schuldenschnitt.
Keine Auswirkungen auf Zahlungsmoral zu erwarten
Der Vergleich mit dem Ausland zeigt, dass ein Sanierungsverfahren mit Schuldenschnitt keine Auswirkungen auf die Kreditzinsen hat. Schliesslich sind Ausfälle in den bestehenden Zinsen bereits eingepreist. Ein Effekt dürfte zudem sein, dass die Kreditfähigkeitsprüfung ernsthafter vorgenommen wird.
Auch die Effekte auf die Zahlungsmoral dürften gering sein. Niemand wird seine Rechnungen nicht bezahlen, um dann mehrere Jahre auf dem niedrigen Niveau des betreibungsrechtlichen Existenzminimums leben zu müssen. Das tut sich niemand freiwillig an.
Die eingehende gerichtliche Prüfung der Situation zu Beginn und bei Abschluss des Verfahrens wird dafür sorgen, dass eine Schuldbefreiung nicht leichtfertig ausgesprochen wird.
(Autor: Pascal Pfister / Bild: StockSnap)
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