PositionenZweite Chance statt lebenslanger Strafe
Zweite Chance statt lebenslanger Strafe
In der kommenden Herbstsession entscheidet der Nationalrat über die Einführung eines neuen Sanierungsverfahrens für hoffnungslos überschuldete Personen (25.019).
Es geht um Menschen, die keine Chance haben, ihre Schulden komplett zurückzuzahlen und deshalb wirtschaftlich inaktiv bleiben und der Gesellschaft hohe Kosten verursachen. Das neue Verfahren ermöglicht ihnen, in einem mehrjährigen Prozess, die Schulden zu tilgen.
Jeder Mensch kann scheitern. Unsere Gesellschaft sollte Menschen nicht ewig für Fehler bestrafen. Wer ehrlich versucht, seine Schulden zu begleichen, verdient eine zweite Chance.
Die Vorlage bietet ein austariertes, streng geregeltes Verfahren, das nur besonders betroffenen Personen offensteht – unter klaren Auflagen, mit hoher Eigenverantwortung und ohne Missbrauchspotenzial.
Worum es beim neuen Sanierungsverfahren geht (Q&A)
Wieso ist die Dauer von drei Jahren entscheidend?
Hintergrund der Vorlage
Menschen, die sich hoffnungslos verschuldet haben, bleiben heute oft in ihrer Situation gefangen. Sie können ihre Schulden nicht zurückzahlen, bleiben armutsbetroffen und können nicht mehr am Wirtschaftsleben teilnehmen. Heute ist eine Befreiung aus den Schulden nur möglich, wenn eine hohe Rückzahlmöglichkeit besteht und die Gläubiger mit einem sogenannten Nachlassvertrag einverstanden sind. Dieser Weg ist maximal bei 10% unserer Ratsuchenden möglich.
Deshalb hat das Parlament 2018 einstimmig zwei Motionen überwiesen, worauf nun der Bundesrat eine Vereinfachung des Nachlassvertrages und ein neues Sanierungsverfahren für natürliche Personen vorschlägt. Dieses soll aussichtslos verschuldeten Personen zur Verfügung stehen, die dauerhaft zahlungsunfähig sind. Ihre Schulden können neu getilgt werden, wenn sie während drei Jahren alle Einkünfte über dem Existenzminimum abgeben und keine neuen Schulden machen.
Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass der gewählte Ansatz breite Unterstützung von Kantonen, Parteien und Verbändengeniesst. Das Bundesamt für Justiz hat zudem auf die Bedenken einiger Kantone und Betreibungsämter reagiert und die Verfahren deutlich verschlankt.
- Neue Perspektiven für verschuldete Personen sind für alle ein Gewinn
Wenn jemand hoffnungslos verschuldet ist, verlieren alle. Unabhängig davon, wie eine Person in die Verschuldung geraten ist. Die Folgen von Desintegration und gesundheitlichen Problemen tragen die Betroffenen und ihre Angehörigen, aber auch das Gemeinwesen: Hoffnungslos verschuldeten Personen fehlt der Arbeitsanreiz, weil ihr Einkommen gepfändet und jegliches neue Vermögen zu erneuten Betreibungen führt. Auch die Kosten fürs Gesundheitswesen sind hoch.
Eine vom Bund in Auftrag gegebene Regulierungsfolgenabschätzung zeigt klar auf, dass mit den neuen Verfahren eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zu erwarten ist: Heute ist der Staat der mit Abstand grösste Gläubiger (Schulden bei Steuern und Krankenkassen). Dank des Sanierungsverfahrens wird die öffentliche Hand von steigenden Steuereinnahmen und sinkenden Sozialhilfekosten profitieren (BSS 2024).
- Klare Zielgruppe und Nachhaltigkeit
Das Sanierungsverfahren mit Restschuldbefreiung richtet sich ausschliesslich an aussichtslos überschuldete Haushalte, denn Bedingung für den Eintritt ins Verfahren ist eine dauernde Zahlungsunfähigkeit. Die Zulassungshürden zum Verfahren sind hoch. Wer aufgrund von vorhandenen Rückzahlungsmöglichkeiten mit den Gläubigern einen Nachlassvertrag erreichen könnte, wird nicht zugelassen. Dementsprechend wird mit nur 2’500-8’000 Verfahren pro Jahr gerechnet (Ecoplan 2021).
Zudem müssen Betroffen und glaubhaft machen können, dass sie während des Verfahrens keine neuen Schulden machen werden. Mit dieser Bedingung wird die Nachhaltigkeit der neuen Schuldenregelung wenn nicht garantiert, so doch deutlich optimiert.
- Verhältnismässigkeit der Gläubigerverluste
Die Verluste der Gläubiger aufgrund des neuen Verfahrens sind verhältnismässig. In der Regulierungsfolgenabschätzung heisst es: «Gemessen an den gesamthaft ausstehenden Forderungen dürfte der Verlust jedoch gering bleiben. 2 bis 38 Mio. Franken entsprechen rund 0.01 bis 0.19 Prozent aller ausstehenden Verlustscheine in der Schweiz.» In den meisten Fällen ist aufgrund der dauernden Zahlungsunfähigkeit der Schuldner auch ohne das neue Verfahren nicht mit einer Rückzahlung zu rechnen. Es ist für niemanden von Interesse ist, die Schuldner in einer ausweglosen Situation zu halten. Hingegen beteiligen sich Entschuldete auch als Konsumenten wieder am Wirtschaftsleben, wovon die Wirtschaft insgesamt profitieren wird.
Umsichtige Umsetzung
Zielgerichteter Zugang – Keine Einladung zum Schuldenmachen
Die vorgeschlagene Regelung zur Restschuldbefreiung ist klar und restriktiv ausgestaltet:
- Nur natürliche Personen mit einem ausgewiesenen Scheitern erhalten Zugang (Art. 337).
- Es gibt eine vorgelagerte, sorgfältige Prüfung durch die zuständigen Behörden (Art. 337).
- Keine automatische Entschuldung – es gilt eine dreijährige Probezeit (« Wohlverhaltensphase ») (Art. 339).
Nur wer ernsthaft zahlungsunfähig ist und sich bemüht, kann davon profitieren – keine Pauschalentschuldung.
Aktiver Schutz vor Missbrauch
Das Gesetz enthält effektive Schutzmechanismen, um Fehlanreize zu verhindern:
- Die Einhaltung von Pflichten während der Wohlverhaltensphase wird überwacht (Art. 343).
- Fehlverhalten führt zu einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens (Art. 348).
- Ein Erbe oder eine Schenkung wird gemäss Bundesratsvorlage innerhalb einer Frist auch nach dem Verfahren in die Sanierungsmasse einbezogen (Art. 350).
- Die Sperrfrist von nach der Bundesratsvorlage zehn Jahren nach einer Restschuldbefreiung führt dazu, dass ein zweites Verfahren frühestens 15-20 Jahren durchgeführt werden könnte (Art. 337).
Die Restschuldbefreiung gemäss Geschäft 25.019 ist kein Freipass, sondern ein verantwortungsvoll reguliertes Instrument zur wirtschaftlichen Stabilisierung. Sie schützt Gläubigerinteressen und fördert die Eigenverantwortung überschuldeter Personen durch klare Spielregeln.
Dauer von drei Jahren: realistisch und systemkonform
Ein Grossteil der überschuldeten Personen hat bereits über Jahre mit einer Lohnpfändung und somit am Existenzminimum gelebt. Ein Verfahren, das über drei Jahre hinausgeht, ist unverhältnismässig und wird zu vielen Abbrüchen führen. Damit überschuldete Personen ihre Situation verbessern können, muss ihnen das neue Verfahren eine Perspektive geben und das Ziel der Schuldenfreiheit darf nicht als unerreichbar empfunden werden.
Vielfältige Gründe sprechen für eine Dauer von drei Jahren (Art. 345, Abs. 1)
- In der Regulierungsfolgenabschätzung von BSS heisst es: «Insgesamt lässt sich festhalten, dass der gesamte Nutzen bei einem dreijährigen Sanierungsverfahren praktisch gleich hoch ausfallen würde wie bei einem vierjährigen. Bei einer Dauer von sechs Jahren verringert sich der gesamte Nutzen dagegen stark, nämlich von 91 bis 287 Mio. Franken auf 49 bis 128 Mio. Franken. Dies liegt einerseits am tieferen Nutzen für Schuldnerinnen und Schuldner, insbesondere aber am geringeren Nutzen für den Staat. Weil wir in diesem Fall von einer geringeren Anzahl Verfahren und einer beträchtlichen Anzahl Abbrüche ausgehen, kann der Staat weniger durch eine Erhöhung von Steuereinnahmen und einer Verringerung der Sozialausgaben von vormals verschuldeten Personen profitieren. Demgegenüber reduzieren sich die Verluste für die Gläubigerinnen und Gläubiger durch die längere Abschöpfungsphase. Allerdings nur geringfügig, weil sich Abbrüche auch negativ auf die erzielten Abschöpfungserträge und damit die Rückzahlungen an die Gläubigerinnen und Gläubiger auswirken.» (S. 65)
- Die seit Jahren existierenden Nachlassverfahren dauern in der Regel drei Jahre. Diese Zeitspanne hat sich als Referenz bei Sanierungen, aber auch bei Kreditvergaben etabliert. Bei einer längerenAbschöpfungsdauer von fünf Jahren würde deshalb das Nachlassverfahren für natürliche Personen erheblich geschwächt. Das kann und soll nicht der Sinn der SchKG-Revision sein. Die dreijährige Frist hat sich in diversen Bereichen der Schuldentilgung bewährt, siehe weitere Punkte.
- Bei der Vergabe eines Konsumkredits muss die Kreditgeberin bei der Prüfung der Kreditfähigkeit von einer Amortisation von 3 Jahren ausgehen (Art. 28 Abs. 4 KKG). Bei einer längeren Amortisationsdauer geht man davon aus, dass dies zur Überschuldung führen kann.
- In Deutschland und Österreich wurde die Verfahrensdauer für ein Restschuldbefreiungs-verfahren auf drei Jahre reduziert.Dies aufgrund der Empfehlung in der entsprechenden EU-Richtlinie. Aber auch, weil die angestrebte Zahl von abgeschlossenen erfolgreichen Verfahren mit einer längeren Dauer deutlich verfehlt
- Die Richtlinien des Dachverbandes Schuldenberatung Schweiz beschränken die Schuldensanierungsdauer auf drei Jahre. Die Erfahrungen der Schuldenberatungsstellen zeigen, dass die Lebensumstände einer Person über einen längeren Zeitraum als drei Jahre kaum abzuschätzen sind.
- In der Vernehmlassung zum Restschuldbefreiungsverfahren haben sich die SODK und explizit die Kantone Appenzell-Ausserrhoden, Basel-Stadt, Genf, Jura, Luzern, Solothurn, Waadt und Zürich für eine dreijährige Abschöpfungsdauer ausgesprochen (siehe nächste Seite).
Aus welchen Gründen geraten Menschen in ausweglose Überschuldung?
In der Schweiz geraten viele Menschen nicht selbstverschuldet in die Schulden. Häufige Gründe sind unvorhersehbare Lebensereignisse wie Krankheit, Unfall, Scheidung, Jobverlust oder ein Todesfall in der Familie. Auch die unfreiwillige Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit ist bei vielen der Grund für die Überschuldung.
Solche Schicksalsschläge führen oft zu einem plötzlichen Einbruch des Einkommens, während laufende Kosten wie Miete, Krankenkassenprämien, Steuern oder Kinderbetreuung weiterhin anfallen. Auch strukturelle Faktoren spielen eine Rolle: Die hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz bedeuten, dass selbst mit einem durchschnittlichen Einkommen wenig Spielraum bleibt. Wer keinen Zugang zu Ersparnissen hat, gerät bei unerwarteten Ausgaben rasch in finanzielle Schwierigkeiten.
Hinzu kommen psychische Belastungen, die durch finanzielle Not entstehen und es erschweren, Hilfe zu suchen oder die Übersicht zu behalten. Nicht selten verschärfen Mahngebühren und Inkassokosten die Situation zusätzlich. Auch junge Menschen rutschen durch Konsumkredite oder Online Shopping (buy now, pay later) in die Schuldenfalle – oft aus Unwissenheit, nicht aus Leichtsinn. Ein weiteres Problem ist die Komplexität des Sozialversicherungssystems. Viele Betroffene wissen nicht, welche Leistungen ihnen zustehen, oder erhalten sie verspätet.
Schulden sind daher selten ein Zeichen von Verantwortungslosigkeit. Vielmehr spiegeln sie gesellschaftliche, wirtschaftliche und persönliche Umstände wider. Unabhängig von den Verschuldungsgründen: Bürgerinnen und Bürger, die ihre Schulden hinter sich lassen können, nehmen wieder Teil am Wirtschaftsleben, finden wieder Arbeit und Wohnung, können wieder Steuern zahlen, verursachen geringere Gesundheitskosten und beziehen seltener Sozialhilfe. Das heisst, es gibt neben sozialen Beweggründen auch ökonomische Überlegungen, die für eine Restschuldbefreiung sprechen.
Fünf Schicksale aus der Schweiz und ein Beispiel aus Österreich
Trennung / Scheidung: Seit Jahren gepfändet – kein Ende in Sicht
«Ich habe 30’000 Franken Schulden und sehe kein Ende», sagt Simone Hunziker (Name geändert). Die 49-jährige Mutter von zwei pubertierenden Söhnen verdient als Car-Chauffeurin in der Innerschweiz 4800 Franken netto im Monat. Sie lebt auf dem Existenzminimum, der Rest wird gepfändet.
Hunzikers Schuldengeschichte beginnt 2014 mit der Trennung von ihrem Ex-Mann. Obwohl sie anspruchsberechtigt gewesen wäre – zu wenig Lohn für drei Menschen –, geht sie aus Scham erst nach zwei Jahren zum Sozialamt. Zum Glück findet sie bald eine Stelle.
Über die Jahre summieren sich Simone Hunzikers Schulden auf heute 30’000 Franken – obwohl sie immer wieder Schulden zahlt, obwohl sie gepfändet wird und obwohl sie nie einen Kredit aufgenommen hat.
Mit ihrem Lohn benötigt Simone Hunziker weitere sechs Jahre, um die 30’000 Franken abzuzahlen. Doch auch dann wird sie nach 15 Jahren Abzahlen nicht schuldenfrei sein. Denn im Kanton Luzern muss sie jedes Jahr ca. 4500 Franken Steuern zahlen. Das Pfändungsrecht berücksichtigt aber keine Steuern. Nach Abzahlen aller ihrer Schulden wird sie deshalb, ohne eigenes Zutun, 27’000 Franken neue Steuerschulden angehäuft haben.
Stellenverlust: Normale Kreditvergabe – unerwartete Arbeitslosigkeit
Diego Barros (Name geändert) ist 37 Jahre alt, lebt in der Romandie und ist Logistiker. Bei ihm fängt alles mit einem Verlust an. Seine frühere Ehefrau wird schwanger und verliert zwei Kinder. «Das hielt unsere Beziehung nicht aus, wir trennten uns.» Vielleicht aus Frust, vielleicht aus Freiheitsdrang, vielleicht, um sich einfach etwas zu gönnen, nimmt Diego Barros einen Kredit von 20‘000 Franken auf. Er hat zu dieser Zeit einen guten Job, verdient so viel, dass genug übrigbleibt, um den Kredit innert drei Jahren abzuzahlen (so sind die Anforderungen der Banken und Kreditinstitute für die Vergabe eines Kredits). Barros kauft sich ein Auto – ein Traum so vieler junger Männer…
Es kommt, wie es nicht kommen sollte: Diego Barros verliert seine Arbeit, Umstrukturierung heisst das Zauberwort, und er ist ein Jahr lang arbeitslos. Von einem Tag auf den andern 30 Prozent weniger Einkommen – Diego Barros kann die Raten für den Kredit nicht mehr stemmen. Das ist der Anfang einer Verschuldung, deren Summe sich heute auf mehr als 125‘000 Franken beläuft. Für den Kredit (der von einer anderen Bank aufgestockt wurde) schuldet Barros mittlerweile mehr als 36‘000 Franken. Dazu kommen Kreditkartenschulden von insgesamt ca. 20‘000 Franken, Ausstände beim Militärpflichtersatz (ca. 5000 Franken) und Steuerschulden von mehr als 50‘000 Franken. Seit Jahren wird Barros gepfändet, kein Ende in Sicht.
Gescheiterte Selbständigkeit: «Und dann verliess mich auch noch meine Frau»
Tito Ries, gut 60 Jahre alt, ist erfolgreicher Unternehmer. Sein Ziel ist es, sich mit 50 aus dem Arbeitsleben zu verabschieden und mit seiner Familie das Leben zu geniessen. Doch es kommt ganz anders. Einige seiner grössten Kunden melden Konkurs an und können nicht zahlen. In der Folge rutscht Ries in massive Schulden. «Nachdem ich dann meine Firma schliessen musste, verliess mich 2001 auch meine Frau mit unserem neugeborenen Kind. Mein ganzer Lebensplan war im Eimer.»
Sein Versuch, die geschuldeten 250’000 Franken zurückzuzahlen, scheitert. Tito Ries wird depressiv, er beginnt zu trinken, muss zur Sozialhilfe – und beginnt zu vereinsamen. Er stürzt im wahrsten Sinne des Wortes ab, wird obdachlos, landet auf der Gasse. Nach einigen Jahren «ganz unten» rappelt er sich auf und wird Stadtführer beim Obdachlosenmagazin «Surprise». Auf den Touren durch Basel bringt er seinem Publikum nahe, wie schnell es gehen kann, bis man ganz unten landet.
Tito Ries lebt seit Jahren mit dem Existenzminimum von etwas mehr als 1000 Franken Sozialhilfe und den ungefähr 250 Franken monatlich von Surprise. Seine Schulden kann er nicht zurückzahlen. Linderung wird nach über einem Vierteljahrhundert auf dem Existenzminimum erst die AHV bringen – sie ist nicht pfändbar.
Gescheiterten Unternehmern eine zweite Chance geben:
Eine Unterschrift – 20 Jahre zahlen
Im April 2011 erhält Pierre Barras (Name geändert), Familienvater mit zwei Töchtern, einen Brief. «Wir bitten um die Überweisung des obgenannten Betrages innert fünfzehn Tagen», schreibt das Inkasso-Unternehmen. Der «obgenannte Betrag»: 112’130 Franken.
Was ist passiert? Pierre Barras’ Bruder hatte 2006 einen Diskobetrieb in der Romandie eröffnet und dafür ein Darlehen von 130’000 Franken erhalten. Für das Darlehen haftet solidarisch mit: das Ehepaar Barras.
2009 wird im Kanton Waadt das Rauchverbot in öffentlichen Räumen eingeführt. 2011 geht der Bruder Konkurs. Seine fünfköpfige Familie lebt auf dem Existenzminimum – bis heute. Also konzentriert sich die Inkassofirma, die das Darlehen eintreiben soll, auf das Ehepaar Barras. Es kommt zur Lohnpfändung.
Pierre Barras sucht eine Beratungsstelle auf. Die Beraterin kann die Schuld auf 70’000 Franken reduzieren. Seit Ende 2012 zahlen die Barras jeden Monat 300 Franken. Wenn sie bis 2032 weiterzahlen, werden sie schuldenfrei sein – nach 20 Jahren.
Berufliche Selbständigkeit ist eine häufige Verschuldungsursache. Auch wer mit einem Unternehmen gescheitert ist – oder wer dafür solidarisch haftet – hat ein Recht auf einen Neustart.
Unfall: Zur gesundheitlichen Katastrophe kommt das finanzielle Desaster
Alexandra Odermatt, Sanitäterin, erleidet 2019 bei einem Einsatz einen Bandscheibenvorfall. Trotz mehrerer Operationen blieben die Schmerzen bestehen. Der Arbeitsausfall führt zu drastischen Lohneinbussen, weil Odermatt nach drei Monaten nur noch den Lohn für ein 70-Prozent-Pensum erhält. Sie hatte sich vor dem Unfall dazu entschieden, Teilzeit zu arbeiten, um mehr Zeit für ihren Sohn zu haben. Vom 70-Prozent-Lohn erhält sie 80 Prozent Krankentaggeld ausbezahlt. Das reicht nicht.
Odermatt klappert sämtliche Ämter und Stellen ab, um eine Überbrückungshilfe zu bekommen, denn das ist es, was sie brauchen würde. Doch es gibt keine Überbrückung. Nach sechs Monaten ist Odermatt überschuldet, sie wird gepfändet. Als ob das nicht schon reichen würde, belastet eine teure Scheidung die Finanzen weiter.
Immerhin bringt eine weitere Operation eine gesundheitliche Besserung. Eine Rückkehr in den ursprünglichen Beruf ist aber nicht möglich, weshalb sie eine Umschulung zur Pflegefachfrau absolviert. Ende 2023 hat Odermatt trotz jahrelanger Pfändung noch über 40’000 Franken Schulden. Es steht nun ein Praktikum zu einem Praktikumslohn an. Sie wird – gemeinsam mit ihrem Sohn – weitere Jahre auf dem Existenzminimum leben. (Quelle: SRF Dok vom 28.3.2025)
Erfolgreiche Restschuldbefreiung in Österreich
Thomas Steiner hats geschafft!
Thomas Steiner (Name geändert), 57 Jahre alt, Österreicher, hatte 2001 eine Druckerei übernommen. 2008 bestellte er für 800’000 Euro eine Druckmaschine, die – aufgrund der Finanzkrise – schon bei ihrer Auslieferung ein Jahr später kaum mehr einen Wert hatte.
Thomas Steiner, ein Macher-Typ, kämpfte wie ein Löwe um seine Firma. Trotzdem ging er 2015 mit einer Million Euro Schulden Konkurs. Parallel zum finanziellen Untergang ging auch seine Ehe in die Brüche.
In der Schweiz hätte auf den dreifachen Vater ein Leben am Existenzminimum ohne Chance auf Änderung gewartet. In Österreich konnte er dank des Restschuldbefreiungsverfahrens neu anfangen: Heute ist Thomas Steiner als Coach und Organisationsentwickler tätig, er hat eine neue Partnerin, kann Steuern zahlen und ist Teil des sozialen und wirtschaftlichen Lebens.
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